![]() Vorbereitung ist alles. Wer pferdegerecht trainiert, lernt Lektionen nicht dadurch, dass er sie einfach immer wieder probiert und dabei in womöglich schlechter Ausführung sein Pferd verschleißt, sondern in dem er die notwendigen Grundlagen für gelungene Lektionen schafft und dabei seine Hilfengebung perfektioniert. Eine Übung ist das Reiten auf dem zweiten Hufschlag, die wir hier vorstellen wollen. Ein Auszug aus unserem Galopp-Buch: Gelingt Ihnen das Reiten gerader Linien mit einem in sich geraden Pferd auf dem zweiten Hufschlag sowohl an den langen, als auch an den kurzen Seiten, dann sind Sie nun bereit für den nächsten Schritt in Richtung Kontergalopp, der ebenfalls bereits eine ideale Vorübung für die Erarbeitung der fliegenden Wechsel darstellt: Stellen Sie Ihr Pferd bei weiterhin geradem Halsansatz und ohne zu Schwanken im Genick für einige Schritte oder Trabtritte nach links, dann ganz sachte wieder gerade und einige Tritte später wiederum nach rechts. Reiten Sie dabei unbedingt weiterhin geradeaus auf dem zweiten Hufschlag, rahmen Sie den Halsansatz mit gleichmäßiger Anlehnung seitlich ein. Das (Um)stellen im Genick muss als ganz sanfter, nahezu unsichtbarer Prozess gestaltet werden, welcher wirklich nur das Genick des Pferdes betrifft, ohne dass sich die gerittene Linie verändert. Behalten Sie eine Stellung über mehrere Meter bei, bevor Sie langsam umstellen. Dieser kleinschrittige und unspektakuläre Übungsaufbau wird sich später auszahlen. Wenn Ihnen diese Vorübung nämlich gelingt und Sie auch das Angaloppieren aus dem Schritt beherrschen, gelingt Ihnen auch der Kontergalopp. Wir beginnen beispielhaft auf der linken Hand. Reiten sie auf dem zweiten Hufschlag und stellen Sie Ihr Pferd nach der Ecke konter, also ganz leicht nach rechts. Galoppieren Sie auf am Anfang der langen Seite, also etwa bei F im Rechtsgalopp an. Parieren Sie am Ende der langen Seite, also bei M wieder in den Schritt und reiten Sie die kurze Seite im Schritt. Vor H stellen Sie Ihr Pferd ganz leicht nach links und galoppieren dann bei H im Linksgalopp an, um wiederum Ende der langen Seite bei K wieder in den Schritt zu parieren. Auf diese Weise galoppieren Sie also abwechselnd im Rechts- und Linksgalopp aber immer schnurgerade, sodass gymnastisch und per Definition eigentlich noch gar kein echter Kontergalopp dabei war, weil Ihr Pferd ja nie wenden musste. Ziel ist es, dass weder Reiter noch Pferd sich irgendetwas dabei denken, eben mal links und mal rechts anzugaloppieren, egal auf welcher Hand wir um die Bahn reiten. Sobald das mit Selbstverständlichkeit funktioniert, reiten Sie folgende Übung: Stellen Sie Ihr Pferd an völlig beliebiger Stelle nach links, galoppieren sie einige Meter später im Linksgalopp an. Stellen Sie Ihr Pferd im Galopp gerade und parieren Sie einige Meter später in den Schritt. Reiten Sie mit geradem Genick einige Meter, bevor Sie Ihr Pferd nach rechts stellen. Wiederum einige Meter später galoppieren Sie mit nach rechts gestelltem Pferd im Rechtsgalopp an, stellen es dann während des Galopps gerade und parieren in den Schritt. Reiten Sie einige Meter Schritt, stellen es dann nach links und so weiter. Wichtig: Nicht umstellen und sofort angaloppieren, sondern im Gegenteil: Trennen Sie das Umstellen im Genick ganz bewusst zeitlich von Ihren Übergängen. Dies sorgt nach einiger Übung für eine deutliche Geraderichtung und verbesserte Balance von Pferd und Reiter. Reiten Sie ganz selbstverständlich auch um die Ecken herum, sodass mal die Ecke im Handgalopp und mal im Kontergalopp geritten wird. Nach der beschriebenen Vorbereitung sollte das nun beides spielend möglich sein und keinen Stress mehr auslösen. Die fliegenden Galoppwechsel lassen sich später anhand dieser Übung ideal entwickeln. Weiter geht's im Galopp-Buch, das Sie hier bestellen können.
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![]() Aus meiner Jugend kenne ich Lusitanos als imposante Stierkampfmonster. Kraftstrotzende, reaktive Ego – Maschinen. Trakehner für Fortgeschrittene, so das Klischee. Und ich dachte um ehrlich zu sein, das sei bei der Rasse aufgrund ihrer Geschichte und ihres ursprünglichen Verwendungszwecks so eingebaut. Niemand kommt aus seiner Haut, und wer dazu geboren ist, gegen einen Kampfstier zu reiten, der ist eben so – dachte ich. Wie viele importierte Lusitanos habe ich als Reitlehrerin erlebt, die von „der deutschen Zahnarztgattin“ nicht zu bedienen waren. Von Null auf hundert und als Freizeitpferd kaum auszulasten. Während ich mir die Tiefkühlerbsen auf eine Fleischwunde in meinem Arm gedrückt habe, aus dem mir ein wunderschöner Vertreter seiner Rasse ein Stück heraus gebissen hatte, nachdem ich ihn nur aufhalftern wollte, habe ich entschieden: Das ist nichts für mich. Obwohl ich bekanntlich nicht mal Zahnarztgattin, sondern Reitlehrerin bin, habe ich darauf keine Lust, so beeindruckend ich sie auch finde. 15 Jahre später befinde ich mich nichtsdestoweniger im Besitz von einer halben Fußballmannschaft an Lusitanopferden. Wie kam das? Angefangen hat alles mit meiner Partnerin Claudia. Als wir uns kennenlernten, hatte sie zwei Lusitanos. Eine Stute, die tatsächlich etwas grell sein konnte und einen Wallach, der rundherum der beste Freund ist, den man sich nur wünschen kann. Invincibel, genannt Vincent, geht nicht nur unter Claudia Dressur und Working Equitation und beeindruckt dabei besonders im Trail, sondern kann auch von ihrer kleinen Tochter geritten werden, ist Lehrpferd für unsere Auszubildenden und geht Longierkurse selbst mit Einsteigern und einem Ruhepuls von 38. Ist Vince denn dann kein typischer Lusitano?! Heute weiß ich: doch! Ist er! „Lusitanos werden zu Kriegern, wenn du mit ihnen kämpfst“, sagt Leonie Bühlmann vom Lusitanogestüt La Perla. Wenn man aber nicht mit ihnen kämpft, sind es ganz normale Pferde. Claudias Invincibel zum Beispiel bedeutet zwar „der Unbesiegbare“, aber sie kämpft ja nicht gegen ihn, sondern steht auf derselben Seite wie er! Außerdem gibt es in der Lusitanozucht natürlich verschiedene Linien. Nicht jeder Lusitano ist für den Stierkampf geboren, manche auch tatsächlich für die Dressur. Leonie Bühlmann selektiert unter anderem eben darauf, dass die Pferde leicht auszubilden und angenehm zu reiten sind. Zum anderen ist vor allem die Aufzucht und die Art der Ausbildung entscheidend. Bereits der erste Kontakt mit dem Menschen, die Herangehensweise beim Absetzen und Einfangen (denn viele werden wild geboren), anlongieren und anreiten ist für die Pferde prägend. Wenn man dabei freundlich und in Ruhe vorgeht, ihre soziale Art und ihr Erkundungsverhalten zu nutzen weiß und sie nicht unter Druck setzt, kommen sie nie auf die Idee zu kämpfen. Unsere Lusitanos sind rundherum freundliche, höchst soziale, kluge und zu meiner Überraschen auch wirklich sanfte Pferde. Ja, sie möchten Arbeiten, aber weil sie Gefallen wollen – nicht weil sie sonst nicht mehr zu händeln wären. Bei artgerechter Haltung auf großen Flächen kann man sie auch eine Woche stehen lassen und dann gemütlich ausreiten gehen. Sie lernen schnell, deswegen muss man natürlich aufpassen, was man ihnen beibringt. Der „Bordercollie“ unter den Pferden bildet in seinem Gehirn lange Verhaltensketten und sucht gerne mal nach Lösungen für Probleme, die außer ihm keiner sieht. Dem muss man aber wirklich nicht mit Härte begegnen und somit eben auch keinen Kampf eröffnen, sondern kann durch kluges, strukturiertes Training und eine gute Signalkontrolle dafür sorgen, dass die Pferde auch in der Arbeit entspannt sein können. Nein, es sind sicher keine Anfängerpferde und eigentlich auch nichts für Schönwetterreiter – aber von welcher Rasse sollte man das denn überhaupt behaupten? Die Kunst für einen Kaufinteressenten besteht unseres Erachtens eigentlich vor allem darin, ein Pferd zu finden, welches einerseits bewegungsintensiv auf wirklich großen Flächen aufgewachsen ist, andererseits aber nicht mit rauen Methoden unter großem Druck eingefangen und auf die Macho-Tour als Verkaufspferd wortwörtlich „fertig gemacht“ worden ist. Wir können von ganzem Herzen die Pferde aus Leonie Bühlmanns Zucht Yeguada La Perla empfehlen. Hier gesellt sich zu einer zwar freien und nahezu wilden Aufzucht ein liebevoller Kontakt zu Menschen und eine feine Ausbildung nach reellen klassischen Kriterien. Schönes Reiten auf entspannten Pferden. Die Pferde von La Perla sind körperlich harte Knochen durch eine Aufzucht auf 1200 Metern, rund ums Jahr draußen und sicher nicht verzärtelt, aber eben mit Argusaugen überwacht und mit allem versorgt, was sie brauchen. Psychisch sind es herzensgute Schätze, die von Menschen nichts Böses erwarten, offen und neugierig an ihre Ausbildung heran gehen und Freunde für’s Leben werden. *********************************************** Mit großer Freude nehmen wir Ihr Lustianopferd in Ausbildung (für mehr Informationen bitte anklicken). Foto: Maresa Mader Otelo la Perla, vierjähriger Lusitanowallach bei uns in Duttenstein Oft wird Pferdebesitzern empfohlen, Pferde täglich den "Rücken aufwölben" zu lassen. Wir erklären, warum wir das ausdrücklich nicht sinnvoll finden: Es ist beeindruckend, wie schön die Rückenlinie plötzlich aussieht, wenn der Therapeut Rumpfträger und Bauchmuskulatur des Pferdes durch einen Druckreiz am Brustbein bzw an der Bauchnaht aktiviert. Auch ein Reiz auf der Hosenmuskulatur sorgt für ein "Aufwölben" (=Beugung) der Lendenwirbelsäule bzw. ein Abkippen des Beckens. Aber ist das nicht toll? Nein. Es dient der Testung (wo will ich hin im Training und wie eingeschränkt ist z.B.die Flexion der Wirbelsäule) oder ganz gezielten Behandlung einzelner Läsionen, der vorbereitende Weichteiltechniken (Massagen z.B.) vorausgehen sollten. Es tut nämlich schlicht weh, "mal eben" in den Katzenbuckel zu müssen, wenn die Muskulatur in der Lende stark verspannt ist (wie bei vielen Pferden) und viele Pferde zeigen das auch durch Schnappen oder gar treten. Wir finden es ethisch absolut bedenklich, das von Laien ausführen zu lassen, nach dem Motto "Immer beim Putzen lass ich das meinen machen und nutze dafür den Hufkratzer". Mit einem mehr oder weniger spitzen Gegenstand in Muskulatur zu drücken verursacht (je nachdem wie gefühlvoll man so ist) Schmerzen! Bei starkem reflexartigem Aufwölben kann es zumindest theoretisch sogar zu Schäden der Bänder der Wirbelsäule kommen, die die Dornfortsätze miteinander verbinden. Außerdem ist der mobilisierende Effekt dieser "Übung" zwar da, der Trainingseffekt für die Muskulatur aber gleich null. Hierfür ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Ihr Partner piekst Sie abends beim Netflix gucken mit dem Löffelstil unerwartet in den Bauch, bis Sie einmal reflexartig "den Rücken aufwölben". Wetten, Sie haben in 6 Wochen keinen Sixpack, aber einen neuen Partner? Rumpfträger und Bauchmuskeln trainieren sich in Bewegung nicht nur viel effizienter, sondern auch gesünder und pferdefreundlicher!
4/7/2022 0 Kommentare Was ist Erfolg?Wird ein Pferd zu uns in Beritt gegeben, besprechen wir bei der Aufnahme immer die Ziele des Besitzers. Wirklich viele unserer tollen Kund*innen sagen, dass es Ihnen um das Wohlergehen Ihres Pferdes geht. Dass das Pferd gesund wird oder bleibt, dass es gesund trainiert wird und mit Freude geritten werden kann. Diese grundsätzliche Einstellung ist natürlich ideal, dennoch fragen wir dann weiter und konkretisieren die Ziele. Was soll denn geritten werden? Dressur, Springen, Gelände? Wie oft, auf welchem Level, mit welchem sportlichen Ziel? Was möchte die Besitzerin lernen zur Verwirklichung der Ziele oder woran hapert es so ganz praktisch?
Und dann versuchen wir das mit den Bedürfnissen des Pferdes in Einklang zu bringen, die sich uns aktuell zeigen. Dazu zählt der Ernährungs- und Trainingszustand, Vorerkrankungen, die Hufsituation, die Ausrüstung, Exterieurmerkmale, Gangauffälligkeiten und natürlich der reiterliche Ausbildungsstand. Dazu passend schreiben wir einen entsprechenden Trainingsplan, definieren die notwendigen nächsten Ausbildungsschritte für Pferd und Mensch und arbeiten dann gemeinsam an realistischen (Teil)zielen. Und wie definiert sich dann der Erfolg der Zusammenarbeit? Am schönsten ist natürlich, wenn messbare Ziele erreicht werden können. Wenn zum Beispiel der angestrebte Sprung von Klasse A zu Klasse L erfolgreich ist oder dass das Pferd den nächsten Distanzritt mit besten Werten beendet. Oder wenn jemand bei der Aufnahme wünschte, Traversalen zu lernen und sie am Ende des Aufenthaltes eben selbständig Traversalen reiten kann. Haken dran. Weniger messbar und leider auf den ersten Blick auch weniger beliebt ist, wenn sich herausstellt, dass die reiterlichen Ziele nicht oder zumindest vorerst nicht erreicht werden können. Wenn wir gesundheitliche Probleme finden, die bis dahin vielleicht unerkannt waren aber dennoch bereits für latente Schäden gesorgt haben. Wenn sich diese nicht durch ein paar Reitstunden und ein bisschen Beritt reparieren lassen. Wenn ein Pferd sich beispielsweise „im Galopp nicht so setzen lässt“ (und es deswegen in der L-Dressur nicht erfolgreich ist), kann das ja nicht einfach nur an mangelndem Training liegen und durch gekonntes Üben besser werden, sondern halt auch an einer bisher unentdeckten Lahmheit. Für das Pferd ist es ein Erfolg, wenn wir diese Lahmheit sehen und eben nicht weiter auf dem Problem herum reiten. Unter Schmerzen lassen sich die Losgelassenheit, das Gangbild und die Lektionen logischerweise nicht verbessern, und zwar egal wie gut man theoretisch reitet. Für das Pferd ist es ein Erfolg, wenn der Beritt ausgesetzt und es einem fähigen Tierarzt vorgestellt wird. Wenn Diagnostik betrieben und sein Problem erkannt wird. Je nach Befund muss dann womöglich von den ursprünglichen Zielen abgerückt werden. Manches braucht Zeit zur Heilung, manches braucht zunächst mal ein gänzlich anderes Training als ursprünglich geplant. Und manche Schäden, die schon lang genug vor sich hin schwelen und bereits Folgen nach sich ziehen, können auch dazu führen, dass die gewünschte Nutzung des Pferdes unter Tierschutzaspekten gar nicht mehr möglich ist. Nicht jedes Pferd sollte noch über Hindernisse springen, nicht nach jedem Schaden kann man wieder Galopptraversalen reiten. Für das Pferd ist es ein Erfolg, wenn wir seiner Besitzerin das ehrlich sagen und daran mitwirken, dass eine passende Bewegung etabliert wird. Satt der Reitkunst- oder Turnierkarriere wären vielleicht gemütliche Spazierritte schmerzfrei möglich. Satt dem Sportstall mit stehendem Springparcours und allen Finessen tut es je nach Pferd vielleicht eher eine Weidehaltung auf großen Flächen. Für manche Besitzerin ist es erstmal enttäuschend, wenn gesteckte Ziele vorerst nicht oder sogar ehrlicherweise überhaupt nicht mehr erreicht werden können. Mit der ehrlichen Einschätzung im Sinne des Pferdes macht man sich beim Besitzer auch nicht immer beliebt. Wem die Nachricht nicht gefällt, erschießt ja traditionell gerne den Boten. „Die von OsteoDressage finden ja auch bei jedem was“, sagte kürzlich jemand. Claudia entgegnet: „Ja, wir finden "was" bei jedem, der halt was hat, und zwar in Zusammenarbeit mit Kliniktierärztin und moderner Diagnostik“. Und ich möchte hinzufügen, dass sich darüber vor allem solche Leute echauffieren, die der Besitzerin des lahmenden Pferdes vorher Woche für Woche das Reitstunden- und Berittgeld abgeknöpft haben und ihr gesagt haben, sie müssen das faule Pferd doch einfach nur mal mehr vorwärts treiben. Wenn sie nicht so schlecht reiten würde, dann würde ihr Pferd auch besser zutreten, ergo müsse sie einfach noch mehr Reitstunden nehmen – während das Pferd mehrere handfeste, mittlerweile tierärztlich bestätigte Befunde hat. Warum sollten wir von OsteoDressage denn ein Interesse daran haben, fälschlicherweise Lahmheiten zu erfinden? Lahmende Kundenpferde geben wir ja an unsere Tierärztin ab oder überweisen in die Klinik oder im Härtefall sogar auf die Rentnerkoppel, verlieren dadurch also zahlende Kunden. Wir machen keineswegs lieber Reha als einfach zu reiten – möchten aber jedem der uns anvertrauten Pferde noch in die Augen schauen können. Wer weiß, wo seine Kompetenzen liegen, der weiß auch, wo sie enden. Schulterherein zu reiten, heilt eben keine Fesselträgenschäden. Wir finden es unverantwortlich Pferden gegenüber und darüber hinaus unfair den Besitzern gegenüber, wenn man Auffälligkeiten im Gang, im Verhalten, in der körperlichen Entwicklung und reiterlich gesprochen in der Losgelassenheit nicht erkennt oder aber diese nicht anspricht. Wer mittelgradig lahmende Pferde weiterhin durch die Springstunde schleust oder beim „Dressur“reiten massive Wehrigkeit, permanente Taktfehler, Schmerzmimik, Stressschweiß am Hals, ständiges Schweifschlagen und weiße Schaumflocken am Maul als normal empfindet, der sollte sich dringend die ethischen Grundsätze des Pferdefreundes zu Gemüte führen und sich von modernen Untersuchungen überzeugen lassen (mehr dazu findet ihr online und auch in Kursform bei uns). Was ist Erfolg? Nach dem ersten Schock sagen betroffene Besitzer*innen manchmal, dass sie eigentlich schon eine Weile ein schlechtes Bauchgefühl beim Reiten hatten. Aus irgendeinem Grund – ob bewusst oder unbewusst – haben sie auch den Aufenthalt bei uns vereinbart: Für eine gründliche, professionelle Einschätzung (aus Trainer-, Osteopathen- und Tierarztsicht) des Gesundheits- und Ausbildungszustandes und ein angepasstes Training, denn auf eines kann man sich verlassen: Bei uns wird kein lahmes Pferd über Tempo gedrückt, damit man das Ticken nicht so sieht und es gibt auch keine therapeutischen Seitengänge, wenn zB offensichtlich ein Chip drückt, der gefunden und entfernt werden möchte… Wir sind davon überzeugt, dass es letzten Endes auch für den Reiter ein Erfolg sein kann, endlich herauszufinden, warum das Pferd in der Ausbildung keine Fortschritte macht oder was ihm fehlt, um beim reiten glücklich sein zu können. Was die Schubkraft mit der Anlehnung zu tun hat und wie man wiederum von der Anlehnung auf das schwächere Hinterbein schließen und die Schiefe des Pferdes verbessern kann
Anlehnung Anlehnung ist die gleichmäßige, stete, weich federnde Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul, so die Definition aus der klassischen Reitlehre. Wie Definitionen das so an sich haben, ist dabei jedes Wort wichtig. Einige Zusammenhänge wollen wir hier erläutern. Schubkraft macht Anlehnung Der Vorschub der beiden Hinterbeine sorgt – einen losgelassenen Rücken vorausgesetzt – dafür, dass das Pferd an die Reiterhand herantritt, sprich die Anlehnung ans Gebiss sucht und von sich aus die Zügel auf eine gewissen Spannung bringt. Viel Schub macht viel Anlehnung. Deswegen ist eine Verstärkung auch nur dann reell geritten, wenn der dafür notwendige vermehrte Schub auch in der Reiterhand ankommt, sich die Spannung der Zügel also ein klein wenig vermehrt und der Reiter dann durch Vorfühlen mit der Hand die Rahmenerweiterung gestatten kann – und zwar ohne dass die Zügel durchhängen, dann war nämlich eben weder die Verstärkung noch die Anlehnung korrekt. Wenig Schub macht wenig Anlehnung. Deswegen ist eine Versammlung auch nur dann korrekt, wenn dabei der Kontakt in die Reiterhand graduell weniger wird. In der Piaffe letztlich, die ja keinen Schub mehr enthält, darf auch nahezu keine Anlehnung mehr vorhanden sein: Hier soll der Kontakt zwischen Reiterhand und Pferdemaul nur noch aus dem Eigengewicht der Zügel bestehen. Sind in versammelten, also schubarmen Lektionen die Zügel deutlich gespannt oder gar die Kandare auf Anschlag, ist weder die Versammlung noch die Anlehnung korrekt. Schub und Schiefe Pferde haben zumeist ein schwächeres und ein stärkeres Hinterbein. Entweder aufgrund der natürlichen Schiefe als junges oder noch nicht ausgebildetes Pferd, oder aber durch erworbene Schiefen, weil ein Hinterbein etwa wegen einer Verletzung mal einige Wochen geschont wurde. Jedes Hinterbein tritt an die gleichseitige Gebisshälfte heran, liefert also den Schub in die gleichseitige Reiterhand. Schieben beide Hinterbeine gleich gut, bekommt der Reiter – korrekte Arm- und Handhaltung vorausgesetzt! – also gleichmäßig viel Kontakt auf beide Zügeln. Im Arbeitstempo sollte das eine mittlere Menge Anlehnung sein, wie oben erläutert. Merkt der Reiter nun aber, dass er beispielsweise auf dem rechten Zügel nur eine ganz geringe Anlehnung bekommt, die Verbindung also gar nicht stet ist wie in der Definition gefordert, sondern der Zügel immer mal wieder unabsichtlich springt oder durchhängt., dann weiß man, dass das rechte Hinterbein in dem Moment nicht korrekt schiebt. Meist bekommt man auf den anderen, in unserem Beispiel linken Zügel dafür zu viel Anlehnung. Auch darauf sollte im Arbeitstempo ja zwar eine konstante, aber eben vergleichsweise „mittel“ ausgeprägte Spannung sein. Hat man stattdessen einen starken Zug, spürt man auch auf diese Weise die Schiefe des Pferdes. Ausgleich der Schiefe mit der Anlehnung als ein Baustein Die Schiefe auszugleichen hat in vielen Fällen mit dem Auftrainieren des schwächeren Hinterbeins zu tun, ist also eine Frage der Trainingsinhalte. Reiterlich kann man während dessen zudem die Anlehnung als einen Baustein und als Kontrollinstrument nutzen: Das Ziel ist ein gleichmäßiger, steter Kontakt auf beiden Zügeln. Dieser Kontakt geht grundsätzlich vom Pferd aus, kann aber durch einen geschickten Reiter gestaltet werden. Zuallererst schaut man, dass man auf dem Zügel, auf den man zu viel Zug bekommt, keine Stütze anbietet, sondern ganz bewusst immer und immer wieder deutlich nachgibt. Das kann zum Beispiel auch durch ganz häufiges Überstreichen mit diesem einen Zügel geschehen. Sobald die Anlehnung merklich stärker als auf dem anderen Zügel wird, gibt man sie willentlich auf. Unterdessen achtet man darauf, mit der Hand, zu der das Pferd weniger Anlehnung nimmt, einen konstanten Kontakt anzubieten, indem man die Zügelfaust wirklich geschlossen und den Oberarm mit gewinkeltem Ellbogengelenk wirklich kosntant am Oberkörper führt, und zwar absichtlich mit einem gewissen Muskeltonus, während man mit dem anderen Arm ja bewusst locker flockig agiert. Unbedingtes Ziel ist es, dass das Gebiss keinesfalls im Maul zu einer Seite gezogen wird und man bei allem, was man reitet, bestrebt ist, den Zügelkontakt zwischen dem rechten und linken Zügel ausgeglichen zu halten. Gelingt das immer besser, dass man immer häufiger und über längere Etappen gleich viel Anlehnung auf beiden Zügeln bekommt, dann weiß man, dass die geraderichtende Arbeit fortschreitet. Mehr dazu finden Sie in unseren Büchern und Onlinekursen. 12/30/2021 0 Kommentare Die Vervollkommnung des Einfachen"Reitkunst beginnt mit der Vervollkommnung des Einfachen", sagt Nuno Oliveira. Und je mehr Jahrzehnte ich im Sattel sitze und unterrichte, desto mehr Dimensionen dieser Wahrheit kann ich verstehen.
Gut reiten kann man auf jedem Niveau, so habe ich das schon in meinem ersten Buch, dem "Basis-Guide für feine Hilfen", formuliert. Kurz gesagt geht es guten Reitern ja immer darum, dass ihr Pferd gesund bleibt und Spass unterm Sattel hat. Und das kann es auch mit "nur" einer sinnvollen Grundausbildung als Freizeitgeländepferd. Aber auch, wenn man hoch hinaus will und reiterliche ehrgeizige Ziele verfolgt, heisst es auf dem Weg dorthin, die Grundlagen immer weiter zu verfeinern. Zum Beispiel die Schenkelhilfen zu perfektionieren, das Pferd wirklich vor dem Bein zu haben. Oder die Gewichtshilfen zu präzisieren, sodass das Pferd wirklich aus dem Sitz heraus aufgenommen werden kann. Denn alles, was man an Schulen auf der Erde je reiten können möchte, setzt sich aus einer - zugegeben jahrelangen - Vervollkommnung derselben Dinge zusammen, die man bereits als junger Reiter oder als junges Pferd idealerweise richtig lernt. Dann ist auch die höhere Dressur zwar noch nicht einfach, aber logisch! Deswegen werde ich Laufe der Jahrzehnte meiner Reitlehrertätigkeit immer akribischer. Wer die Grundlagen von Sitz und Hilfengebung einmal wirklich nachhaltig RICHTIG gelernt hat, kann darauf buchstäblich alles aufbauen und es auf klassischem Weg weit bringen. Und werden junge Pferde in den ersten beiden Ausbildungsjahren grundlegend korrekt aufgebaut, entwickeln sie sich danach nahezu von selbst weiter. Deswegen geht es bei der Problemlösung immer an die Basis. Die Traversalen sollen besser werden? Dann zeig mir deine Volte. Deine Volte ist nicht reell gebogen? Dann ab an die Sitzlonge. Oft reite oder unterrichte ich immer wieder dieselben Dinge - aber eben hoffentlich jeden Tag ein bisschen besser! Ein bisschen präziser, ein bisschen feiner, ein bisschen rhythmischer, ein bisschen selbstverständlicher und spielerischer. Und dann können aus einfachen Übungen beinahe überraschend auch persönliche Sternstunden werden. www.osteo-dressage.com Manche Reiter überbieten sich schier im Reiten von Lektionen. Eine Reiteinheit besteht aus einer Aneinanderreihung aller Lektionen, die man kann oder sagen wir, zumindest kennt. Alle Seitengänge, klar, und zwar in allen Gangarten und allen Kombinationen und am liebsten erfindet man davon noch Neue. Die Piaffe darf nicht fehlen, ist eigentlich ab spätestens vierjährig schon Standartprogramm, und richtig interessant wird es eigentlich erst, wenn man den richtig alten oder seltenen Kram wie die Doux Passage oder den Redopp bemüht, als Steigerung dann alles auch noch rückwärts und auf Portugiesisch.
Das andere Extrem stellen die Reiter dar, die die ersten vierzig Jahre ihrer reiterlichen Laufbahn immer nur Zirkel, ganze Bahn, Zirkel, ganze Bahn und irgendwann mal durch die ganze Bahn wechseln im immerselben Stech- oder irgendwann immerselben Schlurftrab reiten und für die es ein Weltereignis darstellt, einmal in Konterstellung zu gehen und die Viertellinie eine unbekannte Sphäre ist. Ist ein guter Reiter einer, der viele Lektionen kann? Ist ein guter Reitkurs einer, in dem man neue Lektionen lernt, die im heimischen Reitverein sonst noch keiner macht? Reitet man sein Pferd besser, je versammelter und schwieriger die Lektionen werden, an und mit denen man arbeitet? Wie viel Dressur ist für das Pferd da und ab wann beginnt die Dressur, für’s Ego der Besitzerin da zu sein? Andererseits wird vom Nichtstun natürlich auch nichts besser. Wie soll man denn als Reiter das Zusammenspiel der Hilfen lernen und wie soll man sein Pferd ausbilden, wenn man immer nur das Programm einer schmelzlosen E Dressur reiten darf? Ist es gleich schlimm, wenn man mal mutig was Neues reitet und sich das Pferd dabei halt vielleicht heraushebt oder auch man selbst nicht gleich perfekt sitzen bleibt? Ich denke, es geht auch beim Thema Lektionenreiten wie so oft um ein gesundes Mittelmaß. Falsch ist auf jeden Fall, wenn ein Pferd dann nur noch Lektionen kann, egal wie hochwertig diese scheinen mögen, aber nicht oder nicht mehr auf einfachen Hufschlagfiguren in natürlichen Grundgangarten in gleichmäßigem Takt losgelassen herumlaufen kann. Richtig ist es, wenn die Lektionen, die man reitet, das losgelassene Gehen in natürlichen Grundgangarten verbessert. Wenn eine Lektion eben nicht nur zur nächsten führt, sondern in taktmäßig schwingenden Trab oder Galopp und gelassen schreitenden Schritt mündet. Dazu ist es wichtig, dass man die passenden Lektionen für den jeweiligen Ausbildungsstand und das individuelle Pferd auswählt – Versammlung ist nämlich eben nicht das einzige Ziel. Sehr viele Pferde und Reiter täten gut daran, zunächst einmal die lösenden Lektionen zu reiten, auch wenn die nicht so klangvolle Namen haben. Dafür können sie vielseitig kombiniert werden, verbessern die Losgelassenheit und damit eben auch die Rückentätigkeit des Pferdes, bringen dem Reiter das Reiten bei, wirken – bei korrektem Einhalten der Linien – auch bereits geraderichtend und eben graduell versammelnd. Unter den lösenden Lektionen kann man dann zudem noch auswählen, ob man das Pferd aktuell beispielsweise eher mehr mobilisieren möchte und reitet dann verschiedene Versionen des Schenkelweichens, die Vorhandwendung, die Schlangenlinien oder über höhergestellte Cavaletti. Oder ob man vielleicht gerade noch etwas mehr Schubkraft braucht und reitet dann ganz viele kleine Tempounterschiede ins Tritte verlängern, nutzt eher etwas weiter gelegte Trabstangen und kombiniert diese vielleicht noch mit Trab-Galopp-Trab Übergängen. Um den eigenen Sitz und die Einwirkung zu verbessern übt man das Überstreichen, sowohl mit einem als auch mit beiden Zügeln, den sauberen Wechsel zwischen den Sitzformen, das gleichmäßige Herauskauenlassen und sanfte wieder aufnehmen der Zügel. Die einfachen Übergänge zwischen Schritt und Trab, fein aus dem Sitz heraus ohne über die Hand zu bremsen oder die Fersen zum antraben zu nutzen. All das auf abwechslungsreichen Hufschlagfiguren, zum Beispiel auch dem Mittelzirkel, der halben Bahn, der Länge der Bahn, der einfachen und nachher doppelten Schlangenlinie an der langen Seite, den Schlangenlinien durch die Bahn in anfangs drei, nachher auch vier Bogen – dort dann zum Beispiel mit Übergängen über der Mittellinie, Volten und Überstreichen im Bogen und Tritte verlängern an der langen Seite, bevor man wieder zum Ausgangspunkt der Schlangenline kommt.* Was Pferde und Reiter wirklich weiter bringt sind oft die simpel klingenden, aber eben anspruchsvoll ausgeführten Übungsreihen aus der Schublade der lösenden Lektionen. Denn ohne Takt und Losgelassenheit sind die hohen Lektionen nichts wert, auf sauberer Grundlage dagegen werden die höheren Lektionen wie von selbst besser und solange man in jeder Reiteinheit auch immer wieder diese Grundlagen beachtet und reitet, verliert sich die Gefahr, vor lauter Lektionen übers Ziel hinaus zu schießen. Foto: Maresa Mader Katharina Möller auf PRE Wallach Fugitivo im Überstreichen *Eine bewährte Kombination dieser Übungen enthält unser Online-Praxiskurs zum Nachreiten: Schlangenlinien durch die Bahn in 101 Varianten. Online-Praxiskurs REITEN - OsteoDressage | elopage ![]() von Claudia Weingand, erschienen in FEINE HILFEN 21 Ein Shetlandpony beim Hufpflegetermin. Es schnüffelt auf dem Boden herum, steht aber ruhig, die Ohren sind hin und wieder nach hinten in Richtung des aufgehobenen Hufs gerichtet. Das Auge wirkt ruhig, das Maul ist nur bei genauem Hinsehen minimal angespannt. Alles so weit gut, möchte man meinen – Euphorie beim Schmied erwartet ja niemand. Würde das Pony den Huf wegziehen, würde so mancher Pferdebesitzer wahrscheinlich schimpfen – so schlimm ist das Stillstehen offensichtlich nicht und Shettys bekanntermaßen eigensinnig. Hinter dem dicken Ponyschopf fahren die Emotionen allerdings Achterbahn. Ponywallach Urmel, der seit über zwei Jahren mir gehört, trägt einen Gurt zur Pulsmessung. Ein Blick auf die Pulsuhr zeigt Werte über 100 Herzschläge pro Minute – sein Ruhepuls beträgt ca. 38 bis 40. Da dauerhafte freudige Erregung in dieser Situation ausgeschlossen werden kann, scheint er Stress und/oder Schmerzen zu haben. Eine mögliche Erklärung: Er hat eine Hufrehe-Vorgeschichte und erwartet möglicherweise wieder Schmerzen beim Huftermin. Wie unfair wäre es gewesen, das trotz seines Stresses brav stehende Pony für ein eventuelles Zappeln zurechtzuweisen? Nach dem Termin war sein Puls wieder auf 35...puh. Bild: Urmel, mittlerweile wieder topfit, hatte nach seinem Hufreheschub Stress beim Schmied. (Foto: Phillip Weingand) Die Sache mit dem Bauchgefühl„Wie wichtig ist es euch, was euer Pferd fühlt? Und: Woran erkennt ihr das?“, frage ich wenige Tage später in einem sozialen Netzwerk. „Dass es dem Pferd gut geht, ist das Wichtigste überhaupt“, antworten zahlreiche Reiter. Ob das so ist, „habe man doch im Gefühl“. Von Bauchgefühl und Intuition ist die Rede und von jahrelanger Erfahrung mit Pferden. Wenn uns allen so wichtig ist, wie es unserem Pferd geht – und ich glaube das jedem, der es behauptet, von Herzen –, warum gibt es dann so viele Pferde mit Magengeschwüren, Kissing Spines oder Verhaltensauffälligkeiten? Warum reiten wir mit unpassenden Sätteln, halten unser Pferd in stressigem Umfeld oder reiten es an seinen Bedürfnissen vorbei? Wahrscheinlich, weil unser Bauchgefühl nicht immer mit der realen Gefühlslage unserer Pferde übereinstimmt. „Ich kenne Reiter, die im Training ein gutes Bauchgefühl haben, wenn sie sich mal so richtig ‚durchgesetzt‘ haben und das Pferd fortan auf ihre Wünsche reagiert“, gibt Sylvia Czarnecki zu bedenken, die Unterricht im positiven Pferdetraining gibt. „Ein gutes Bauchgefühl habe ich ja, wenn sich für mich etwas positiv anfühlt. Ob es dem Pferd auch so gut damit geht, ist eine andere Frage.“ Was wir für gut befinden, hängt Czarnecki zufolge mit unserem Wissensstand zusammen. „Wenn ich mir Videos meines Pferdetrainings von früher anschaue, erschrecke ich teilweise, wie viel Druck ich aufgebaut habe. Heute habe ich andere Kriterien.“ Wenn wir also z. B. glauben, dass ein Pferd sich in einer bestimmten Haltungsform, einem bestimmten Trainingssystem oder in einer bestimmten Körperhaltung unserem derzeitigen Wissensstand entsprechend wohlfühlen muss, kann unser Bauchgefühl uns ganz schön fehlleiten. Steht unser Pferd z.B. im Offenstall, wird nach unserem großen reiterlichen Vorbild gearbeitet, hat einen teuren Maßsattel und geht zuverlässig so „am Zügel“, wie wir es als ideal ansehen, übersehen wir vielleicht, dass es im Stall von den anderen Pferden von A nach B gejagt wird, beim Satteln in die Luft beißt und beim Reiten unzufrieden mit dem Schweif schlägt. Dann „darf nicht sein, was nicht sein kann“. Reiten wir ein Pony, unterstellen wir ihm vielleicht Sturheit, oder halten es für rassetypisch, wenn der Araber im Gelände kaum zu halten ist. Mit dem Bauchgefühl ist es also so eine Sache. Unterschätzter Stressfaktor: Die Haltung Dass Boxenpferde, die nicht täglich rauskommen und ausschließlich in der Box stehen, massiven Stress empfinden und Verhaltensstörungen entwickeln, ist wissenschaftlich erwiesen. Problematisch wird es, wenn wir Gruppenhaltung automatisch als pferdegerecht einstufen. „Wir stellen die Pferde zusammen, aber oftmals keine passenden Gruppen. Allein das ist nicht natürlich und kann zu einem massiven Stressfaktor werden“, sagt Dr. Willa Bohnet vom Institut für Tierschutz und Verhalten der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Unsere moderne Haltung überfordert viele Pferde, besonders wenn zu viele Pferde auf zu wenig Raum zusammenleben. Auch Raufutterautomaten sieht Bohnet kritisch: „Pferde wollen den ganzen Tag fressen. Ist das nicht möglich, weil das Raufutter stark rationiert wird oder es zu wenige Fressplätze gibt, erzeugt das Stress.“ Ständiger Stress im Alltag wiederum kann zu Verhaltensänderungen, Leistungsminderung und nicht zuletzt körperlichen Problemen wie Magengeschwüren führen. Wie Pferde fühlen Wahrscheinlich wird jeder Reiter vermuten, dass Pferde ein ähnlich vielschichtiges Gefühlsleben wie der Mensch besitzen. Tatsächlich haben Wissenschaftler bei verschiedenen Säugetierarten nachweisbare Vorgänge im Gehirn gefunden, „wenn sie negative Emotionen wie Angst, Ärger oder Leid, aber auch positive Emotionen wie Freude empfanden. Bei allen Säugetieren laufen diese ‚Basisemotionen‘ in einem entwicklungsgeschichtlich sehr alten Teil des Gehirns, dem Stammhirn und dem im sogenannten limbischen System liegenden Mandelkern (Amygdala) ab“, schreibt Verhaltensbiologin Marlitt Wendt in ihrem Buch Was Pferde fühlen und denken (Cadmos Verlag). Und weiter: „Da es sich bei all diesen Gefühlsregungen innerhalb der Gruppe der Säugetiere um dieselben chemischen und physikalischen Prozesse handelt, ist davon auszugehen, dass sie von Mensch und Tier auch ähnlich empfunden werden.“ Sind Stammhirn und limbisches System durch starke Emotionen besonders angeregt, können andere Hirnregionen nur eingeschränkt arbeiten. Die Hirnareale blockieren sich gegenseitig. Das ist der Grund dafür, dass es Pferden (und übrigens auch uns) nicht möglich ist, bewusste Entscheidungen zu treffen, wenn uns die Gefühle „überrollen“. Hat ein Pferd also z.B. große Angst, ist es ihm unmöglich, klar zu denken oder gar zu lernen. Unterstellt man einem nervösen Pferd bösen Willen oder „Dominanz“, wenn es in seiner Hektik vielleicht nicht so „funktioniert“ wie sonst, tut man ihm also Unrecht. Wie aber erkennen wir, wie sich unser Pferd fühlt? Pferde sind als Fluchttiere ziemlich gut darin, ihre Gefühle – besonders Schmerz – zu verstecken. Evolutionsbiologisch sinnvoll: Würden sie z. B. laut jaulen, wäre jedem potenziellen Wolf klar, dass da irgendwo fette Beute wartet, die wahrscheinlich in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt ist… Pferde lesen kann man üben Woran können wir also ablesen, was in unseren Pferden vorgeht? „Da gibt es z. B. die Horse grimace scale von Alwin [Anm. d. Red. Animal welfare indicators]. Das ist eine kostenlose App, mit der man sich selbst trainieren kann, Schmerzanzeichen zu erkennen“, sagt Verhaltensexpertin Dr. Willa Bohnet. Eine gute Sache. Schließlich sollten wir alle ja in der Lage sein, zu sehen, wann unser Pferd sich nicht wohlfühlt. Im Trainingsteil der App kann man Pferdefotos analysieren lernen. Die Schmerzgesichter gehören Hufrehepatienten oder frisch kastrierten Wallachen. Man schätzt die Haltung der Ohren, den Ausdruck der Augen, Tonus der Gesichtsmuskulatur und der Region über den Augen ein und beurteilt auch Nüstern- und Maulpartie. Dabei kann man angeben, ob Schmerzanzeichen gar nicht, moderat oder offensichtlich vorhanden sind. Die Fotos und Analysen sind wissenschaftlich anerkannt und schulen das menschliche Auge. Schmerzgesicht erkennen Um ein Schmerzgesicht zu beurteilen, geht man in der Horse-grimace-scale-App die verschiedenen Gesichtsregionen durch. Z.B. um Beispiel sieht man bei starken Schmerzen: - Ohren: Wirken weiter voneinander entfernt als sonst. Sie werden die ganze Zeit nach hinten oder zur Seite gehalten. Die Ohrbewegung ist eingeschränkt und die Ohren reagieren nicht oder kaum auf Umweltreize. - Augen: Die Augen wirken weniger als halb so groß wie normalerweise, die Lider sind etwas geschlossen. Der Blick wirkt introvertiert.
Nervosität und Freude Ich lade mir die App herunter, liege fast immer richtig und denke, dass sie eine gute Trainingsmöglichkeit für Reiter und Pferdebesitzer darstellt. Doch: Was nützt es, wenn ich die Emotionen auf den Fotos treffend errate, aber bei meinem eigenen Pony nicht erkenne, wie hoch der Stresslevel ist? Zunächst ist Schmerz natürlich nicht gleichzusetzen mit Stress. „Pferde drücken Stress individuell sehr verschieden aus“, sagt Dr. Bohnet. „Ihr Pony scheint bei Stress eher zu erstarren. Andere Pferde würden vielleicht zappeln oder umgeleitetes Aggressionsverhalten zeigen. Die beißen dann in den Anbindebalken oder in die Luft, weil sie gelernt haben, dass es keine Option ist, z.B. den Hufschmied zu beißen.“ Sie vergleicht die individuellen Unterschiede mit uns Menschen. „Vor der Abschlussprüfung sieht man das bei den Studenten. Manche kritzeln auf ihrem Block herum, andere laufen auf und ab, wieder andere sitzen völlig bewegungslos und scheinbar ruhig herum.“ Gerade was die Einschätzung „Der regt sich auf“ angeht, kann man also weit danebenliegen. Ich habe übrigens auch bei Hariel, meiner vierjährigen Lusitanostute, den Puls während des Schmiedtermins gemessen. Im Gegensatz zum ruhig stehenden Urmel war sie an diesem Tag zappelig, eher ungeduldig und hat sich viel umgeschaut – und das mit einem Ruhepuls von 35 Schlägen pro Minute ... „Dann hat Ihre Stute wahrscheinlich ziemlich selbstsicher gezappelt – oder eventuelle Anspannung einfach durch Bewegung abgebaut“, schätzt Willa Bohnet die Situation ein. Und nicht nur mit der Einschätzung von Stress können wir uns vertun. Für uns Reiter lässt sich auch nicht zweifelsfrei feststellen, ob ein Pferd sich freut. „Ich war kürzlich bei einem Turnier. Ein Pferd kam ins Dressurviereck und war sichtlich nervös. Diese Anspannung entlud sich schließlich in Bocken“, sagt Linda Weritz, die das Internationale Institut für Pferdekommunikationswissenschaft in Düsseldorf leitet. „Ich habe dann von mehreren Seiten gehört, dass das Pferd ja richtig Spaß gehabt hätte. Unsere Einschätzungen waren hier sehr verschieden.“ Anders als der Hund können Pferde nicht mit dem Schwanz wedeln (zumindest nicht als Ausdruck von Freude) oder eine für jeden Menschen erkennbare Art von „Lachen“ zeigen. Dennoch sind viele Pferdebesitzer überzeugt davon, dass ihr Pferd sich „auf die Arbeit freue“, schließlich komme es sofort auf sie zu, wenn sie den Stall betreten. Folglich mache man im Training alles richtig. Linda Weritz ist skeptisch, wenn sie diese Einschätzung hört. „Das ist auch von der Haltung des Pferdes abhängig. Wenn es 23 Stunden in der Box oder einem reizarmen Offenstall steht, kommt es sehr wahrscheinlich zum Besitzer, weil der Abwechslung verspricht. Ob es sich nun auf die Möhre in der Tasche ‚freut‘ oder tatsächlich auf die Arbeit, können wir nicht wissen. Wenn es jemand schafft, dass sein Pferd vom Ende einiger riesigen saftig grünen Koppel auf ihn zugaloppiert kommt – ohne dass er mit der Haferschlüssel rasselt –, dann darf er sich wahrscheinlich wirklich etwas auf seine Arbeit einbilden.“ Emotionen und körperliche MerkmaleMan sollte sein Pferd also sehr genau beobachten, bevor man allein sein Bauchgefühl sprechen lässt. Und um die Sache noch etwas komplizierter zu machen: Pferde können auch schauspielern. „Pferde sind kluge Tiere, die blitzschnell Ursache und Wirkung ihres Verhaltens heraushaben“, weiß Dr. Willa Bohnet. Ein Beispiel: Ein Pferd macht die Erfahrung, dass der Reiter die Arbeit beendet, wenn es lahmt. Man führt das Pferd in den Stall und kümmert sich um das Tier. Nach ein paar Wochen beginnt man wieder mit dem Reiten und das Pferd geht klar. „Wenn Sie dann etwas fordern, was das Pferd vielleicht nicht versteht oder ungern machen möchte, kann es sein, dass es sich daran erinnert, dass Lahmen schon mal die Arbeit beendet hat. Und was tun Sie, wenn ein gerade genesenes Pferd wieder lahmt? Natürlich absteigen.“ Sicher ist das im Umkehrschluss keine Empfehlung, auf einem lahmenden Pferd sitzen zu bleiben, verdeutlicht aber Cleverness und Schauspieltalent unserer Pferde. „Ich kenne sogar Fälle, in denen Pferde Koliksymptome ‚vorgespielt‘ haben – wahrscheinlich, um Aufmerksamkeit zu bekommen“, so Bohnet. Es sei also auch durchaus möglich, dass Pferde gestresst „tun“, es aber nicht sind. Was natürlich nicht heißt, dass man Anzeichen für Unwohlsein fortan getrost ignorieren darf! Zeigt das Pferd in einer bestimmten Situation aber immer ein bestimmtes Verhalten, könnte z. B. eine Pulsmessung zeigen, ob es wirklich Angst oder Stress empfindet. Was nicht schauspielern kann, ist das Nervensystem und letztlich die unwillkürlich gesteuerten Strukturen des Pferdekörpers. Ist ein Pferd immer wieder in bestimmten Körperregionen verspannt – und kommt die Verspannung nach der Behandlung durch einen Therapeuten immer wieder –, kann das neben unpassendem Equipment oder unphysiologischem Training eine emotionale Ursache haben. Das kennen wir von uns: Haben wir viel Stress, bekommen wir z. B. Nackenschmerzen, weil die Muskulatur sich verspannt. Auch Pferde können Nackenschmerzen haben – zeigen sie beispielsweise ein stark ausgeprägtes, verspanntes, suboccipitales Nackendreieck (FOTO), deutet das oft auf starken Stress (durchaus auch Stress mit der Reiterhand) hin. „Diese Verspannungen entstehen eigentlich eher in den Faszien, also dem Bindegewebe, das unter anderem die Muskulatur umgibt, als in der Muskulatur selbst“, sagt Barbara Welter-Böller, Gründerin der Fachschule für osteopathische Pferdetherapie. Wie man heute weiß, wird die Faszienspannung vom vegetativen Nervensystem beeinflusst. Ein Pferd, das viel Stress hat, kann sich insgesamt in seiner Muskulatur „fester“ anfühlen – ist es bereits vom Dauerstress erschöpft und innerlich resigniert, kann die Muskulatur auch auffällig weich und schwammig wirken. "Das Pferd ist dein Spiegel"„Du darfst nicht zeigen, dass du Angst hast“, wird Reitschülern immer wieder empfohlen. Das Pferd spüre die Angst und würde seinerseits ängstlich. „Es stimmt, dass Pferde unsere Emotionen spüren und sogar übernehmen können“, sagt Dr. Willa Bohnet und erinnert sich an eine Studie. Reiter und Pferd sollten eine kurze Strecke reiten und dabei an einer Person vorbeikommen. Von beiden wurde die Herzfrequenz gemessen. Nachdem sie die Strecke ein paarmal absolviert hatten, sagten die Versuchsleiter dem Reiter, dass die Person nun einen Regenschirm aufspannen würde, wenn er das nächste Mal vorbeireitet. Bei Pferd und Reiter stieg daraufhin an dieser Stelle die Herzfrequenz – obwohl die Person den Schirm nicht aufgespannt hatte. Das ist ziemlich unesoterisch zu erklären: Unsere Muskulatur spannt sich an, wenn wir Angst oder Stress empfinden. So kann es gerade beim Reiten sein, dass das Pferd etwas mehr Zug am Zügel oder Druck am Schenkel spürt und darauf reagiert. Nun ist es uns leider nicht möglich, im Kopf Angst zu haben, aber körperlich keinerlei Reaktion darauf zu zeigen. Hier hilft nur, wenn wir unsere Gedanken im Griff haben. „Ich habe ein Pferd, das ungern über Brücken ging. Führen war noch okay, beim Reiten wurde es nervös“, erzählt Willa Bohnet. „Ich habe dann beim Reiten vermieden, mich auf die Brücke zu fokussieren, und einfach weggeschaut und an etwas anderes gedacht – und das Pferd ging anständig über die Brücke.“ Sehen und gesehen werdenPferde spüren nicht nur unsere Emotionen, sie sehen auch, wie wir drauf sind. Forscher der University of Sussex fanden erst 2016 heraus, dass Pferde menschliche Gesichter lesen können. Sie präsentierten den 28 Tieren in der Studie Bilder von ihnen unbekannten Männern, die entweder lächelten oder wütend schauten. Sahen die Pferde in wutentbrannte Gesichter, stieg ihre Herzfrequenz und sie schauten die Bilder mit dem linken Auge an. Das gilt als aussagekräftig, da negative Emotionen in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet werden, die nerval mit dem linken Auge verbunden ist. Auf positiv gestimmte Gesichter reagierten die Pferde kaum. „Pferde wissen auch genau, ob wir sie ansehen“, so Bohnet. In einer Studie beobachtete man, dass Pferde z. B. den Hals hinauf und hinunter bewegen, wenn ein Mensch mit ihnen in der Bahn stand, aber wegschaute. Sie wissen also, ob ihnen unsere Aufmerksamkeit gilt, und versuchen so einiges, um sie zu bekommen. „Als die Person dann die Augen mit den Händen bedecken sollte, berührten die Pferde de Menschen sogar“, so Bohnet. Das sollte so mancher Reiter vielleicht bedenken, der beim „Warmlongieren“ auf dem Handy daddelt. SpiegelneuronenDass Pferde auf unsere Gefühle reagieren, lässt sich auch mit den sogenannten Spiegelneuronen erklären. Diplompsychologin Heidi Zöller beschreibt in ihrer Diplomarbeit von 2006, Das Pferd als Spiegel innerpsychischer Zustände, dass es neurophysiologisch egal ist, „ob ich selbst eine Handlung ausführe oder jemandem bei einer Handlung zusehe“ – die Nervenzellen werden in derselben Weise erregt, als wenn ich die Handlung ausführe. Dasselbe gilt für Emotionen und ist der Grund dafür, dass wir „mitleiden“, wenn unser Lieblingsschauspieler Liebeskummer mimt. Unter verschiedenen Tierarten wurden innerartliche Spiegelprozesse beobachtet und man geht davon aus, dass sie zwischen Mensch und Haustier ebenfalls vorkommen. Dass Pferde unsere Emotionen spiegeln, machen sich manche Psychologen und Coaches zunutze. Heidi Zöller schreibt: „Die Chance des Pferdes als Spiegel psychischer Prozesse sehe ich darin, dass es sehr gut und sehr genau emotionale und andere unbewusste Prozesse spiegelt. Es kann als eine Art lebendes Biofeedback helfen, diese Prozesse stärker ins Bewusstsein zu rücken. (…) Das Pferd fordert heraus, sich seinen Gefühlen und seiner Körperpräsenz zu stellen“ (ebd.). ArbeitsmoralWas wir auch hinterfragen sollten, ist unsere Einstellung zu den Dingen, die wir mit unserem Pferd tun. Psychologin Heidi Zöllner beschreibt die Arbeit eines Coaches, der für seine Arbeit mit Menschen frei in der Bahn laufende Pferde einsetzt. Ein Psychotherapeut wollte die Methode des Coaches für sich überprüfen. Beschrieben wird folgende Situation: „Der Therapeut kniet vor dem Shetlandpony und ist in engem Kontakt mit dem Pony, während [der Coach] den Parcours aufbaut. Als es darum geht, mit dem Pferd durch den Parcours zu gehen, sagt der Therapeut zu dem Shetlandpony: ‚Schluss mit lustig, jetzt beginnt die Arbeit!‘ Woraufhin das Shetlandpony sich umdreht und Richtung Ausgang der Reithalle läuft. (…) Eine gute Gelegenheit, über das Verhältnis des Psychotherapeuten zu seiner Arbeit und Arbeit im Allgemeinen zu reflektieren“ (ebd.). Die Erfahrung, dass Pferde stark darauf reagieren, was der Mensch von Bewegung, Arbeit etc. hält, hat auch Dressurausbilderin Katharina Möller aus Dielsdorf bei Erfurt gemacht. „Wenn ein Pferdebesitzer z. B. Bewegung unangenehm findet, wirkt sich das deutlich auf die Motivation des Pferdes aus“, berichtet sie. Fazit In einigen Fällen kann unser Bauchgefühl durchaus die Gefühlslage des Pferdes richtig interpretieren – während es in anderen vielleicht versagt, weil unser Kopf dazwischenfunkt oder wir die Zeichen des Pferdes oder die Situation, in der es sich befindet, anders empfinden. Sehen wir z. B. in einer Freiheitsdressur, dass ein Pferd hinter einem Menschen herläuft, kann das verschiedene Gefühle hervorrufen – wer der Ansicht ist, dass das Pferd ohne Zaumzeug nur auf freiwilliger Basis mit dem Menschen kommunizieren kann, wird mögen, was er sieht. Wer die Mimik des Pferdes etwas lesen kann, könnte je nachdem, wie das Ergebnis erarbeitet wurde, anderer Ansicht sein und vermuten, dass das Pferd Stress empfindet und vielleicht nur deshalb hinter dem Menschen herläuft, weil sonst eine Bestrafung droht. Letztlich werden wir im Alltag nicht jedes Pferdegefühl richtig erraten können – und das ist auch nicht schlimm. „Das geht uns mit anderen Menschen ähnlich. Obwohl wir miteinander sprechen können oder obwohl man vielleicht seit Jahrzehnten zusammenlebt, wird es uns nie möglich sein, immer zu wissen, wie sich der andere gerade wirklich fühlt“, so Dr. Willa Bohnet. Es schadet aber nichts, wenn wir unsere Intuition ab und zu hinterfragen. „Um sich selbst zu kontrollieren und sein Auge zu schulen, könnte man bestimmte Situationen filmen und dann sehr genau das Mienenspiel und die Körpersprache des Pferdes beachten“, rät Dr. Willa Bohnet. Auch Pulsmessungen können Hinweise auf die wahre Gemütslage unserer Pferde geben. Urmel habe ich übrigens den Rest des Hufpflegetermins mit Kraulen verwöhnt, was er sehr mag – vielleicht wird er in Zukunft innerlich genauso ruhig sein wie äußerlich. 5/31/2021 0 Kommentare Ist das Kunst oder kann das weg?Wer Reiten als Sport bezeichnet, wird häufig schief angeschaut. Schließlich klingt das so, als sei das Pferd ein „Sportgerät“ – und so sehen wir unsere geliebten Tiere nun wirklich nicht. Das Wort „Reitsport“ hat einen weiteren bitteren Beigeschmack: Zu präsent sind die schlimmen Bilder von Abreiteplätzen der großen und kleinen Turniere oder aus Verkaufsställen für Sportpferde.
Wer sich vom Turnierzirkus distanzieren möchte, schreibt sich deshalb häufig „Reitkunst“ auf die Fahnen. Kunst, das klingt gut. Nach Kultur, nach Kreativität, nach Intellekt, nach einem zivilisiertem Umgang mit dem Partner Pferd. Genau das ist in vielen Fällen auch damit gemeint und sicher ist auch manchmal „Reitkunst“ drin, wo „Reitkunst“ draufsteht – nämlich dann, wenn Kunst von „Können“ kommt, wenn ein Reiter sein Handwerk wirklich meisterlich beherrscht. Wenn jemand so reitet, dass der Zuschauer keine Hilfengebung mehr sieht, wenn er sein Pferd über Jahre so planvoll und schonend fördert, sodass es mit einem „Strahlen“ und in bestem körperlichem Zustand seine Aufgabe bewältigt, dann ist das mehr als Meisterarbeit, dann ist das Kunst. Doch wie das so ist mit der Kunst – nicht jeder, der verschwommene Seerosen malt, ist ein Monet. In meinen Augen wird das Wort „Reitkunst“ inflationär verwendet. Oft heißt es Reitkunst, wenn man Equipment aus einer vergangenen Epoche verwendet, eifrig Bücher alter Meister liest und gesteigerten Wert auf versammelnde Lektionen legt (oder sich auch nur in der Theorie darüber den Kopf zerbricht). Dass man trotz der blanken Kandare, des schicken Reitrocks oder der vor sich in der Luft gehaltenen Gerte nicht in der Lage ist, eine Runde Trab auf einem einigermaßen runden Zirkel zu reiten, steht nicht zur Debatte. Als Reitkunst wird leider auch bezeichnet, wenn die „Versammlung“ keine ist, sondern einfach ein langsam gemachtes Pferd möglicherweise schief durch die Halle eiert. Kunst oder künstlich? Wenn man ein Pferd dazu nötigt, eine bestimmte Haltung anzunehmen, die nicht seinem Trainingszustand oder der gezeigten Bewegung entspricht – ist das Ergebnis nicht künstlerisch, sondern künstlich. Wenn man einem Pferd Lektionen abverlangt, für die es nicht ausreichend vorbereitet wurde – ist das verschleißend und keine Reitkunst. Wenn man historische Bilder nachstellt, ohne auf sein individuelles Pferd zu achten – ist das Ergebnis künstlich. Wenn ein Pferd ohne klaren Takt und „ohne Rücken“ geht, ist das keine Kunst, sondern Mist. Immer. Ausnahmslos. Auch wenn die Nase vor der Senkrechten ist und der Zügel durchhängt. Nicht, dass das nicht jedem mal passieren kann – aber ein guter Reiter arbeitet an sich und ein Pseudokünstler feiert sich dafür… Wenn man ein Pferd jahrelang, planvoll und seiner Natur entsprechend ausbildet und es verschleißfrei fördert, sodass es den Arbeitseifer und sein Strahlen nicht verliert – dann ist das Kunst. Zwischen den Worten „Kunst“ und „künstlich“ mögen nur spitzfindige Wortjongleure einen Unterschied erkennen. Für das Pferd ist der Unterschied existenziell. Wird ein Pferd zum „Kunstobjekt“ eines Menschen, kann ihm das unter Umständen mehr schaden, als wenn es zum „Sportpartner“ wird. Denn ein künstliches Ergebnis geht immer zulasten des Pferdes - und dann ist der selbsternannte "Reitkünstler" nicht weniger egoistisch unterwegs als der viel kritisierte Sportreiter. Kunst ohne Sport… …ist beim Reiten meiner Ansicht nach nicht möglich. Nicht nur der Reiter muss sportlich fit sein (was Koordination, Gleichgewicht und eine gewisse Ausdauer anbelangt). Das Pferd vollbringt bereits eine hohe Kraft-Ausdauer-Leistung, wenn es unser Gewicht trägt – wenn wir es nicht schaffen, uns auszubalancieren, wird der Kraftakt zur Zumutung für das Pferd. Auch müssen wir unser Pferd auf das Gerittenwerden vorbereiten, ihm Trainingspausen ermöglichen und wissen, wann es für neue Anforderungen bereit ist. Pferd und Mensch müssen Freude an der Bewegung, gern der tänzerischen, eleganten, Bewegung haben oder entwickeln. Wenn man „Sport“ so versteht, dass man sich und sein Pferd gezielt fördert und fair auf Leistungen vorbereitet, bin ich pro "Reitsport". Und das, ohne auch nur einen Funken Turnierambitionen zu besitzen. (Claudia, Artikel von 2016) 5/31/2021 0 Kommentare Der Weg nach Rom..„Viele Wege führen nach Rom“ – diesen Satz kennt jeder Reiter.
Soll heißen: Verschiedenen Ausbildungsmethoden und -philosophien können sich gut ergänzen, das Ziel ist ja ohnehin dasselbe. Wirklich? Zeit, sich mal näher mit „Rom“ zu beschäftigen: „Die zugrundegelegte Annahme, alle Welt wolle nach Rom und dieses Rom sei eine absolute Größe, verursacht eine verheerende Beliebigkeit in der Wahl des Weges, der Leitlinien und der Mittel“, schreibt Maren Diehl in ihrem interessanten Buch „Biotensegrity“ (spiritbooks Verlag). „Rom“ dürfen verschiedene Orte sein Es lohnt sich, zu hinterfragen, welches „Rom“ man überhaupt meint, bevor man verschiedene Wege dorthin sucht. Eine antike Perle? Einen netten Urlaubsort? Eine heilige Stadt? Aufs Reiten übertragen: Wo genau liegt mein Ziel? Wollen Reiter 1 und 2 ihre Pferde bis zur höchsten Versammlung fördern, reicht es Reiter 3 eigentlich, dass sein Pferd die gemeinsamen Ausritte nicht nur erträgt, sondern genießt und möglichst lange gesund bleibt. Rom ist in diesen drei Fällen völlig unterschiedlich definiert. Reiter 1 ist vielleicht klassisch-deutsch geprägt und wird unter Versammlung etwas anderes verstehen als Reiter 2, der sich für die Working Equitation begeistert. Und Reiter 3 muss weder ein Genie in der Handarbeit werden noch muss er alle Seitengänge beherrschen – im Gegenteil. Nimmt unser grundsätzlich zufriedener Geländereiter beispielsweise Unterricht bei einer Dressurkoryphäe, die ein anderes Rom im Kopf hat (z.B. möglichst schnell piaffieren können oder alle Seitengänge beherrschen), ist der Umweg zu seinem persönlichen Rom programmiert: Wenn er aus „Pflichtgefühl“ höhere Lektionen schrubbt, die seinem Ausbildungsstand eigentlich nicht entsprechen, wird die Ausführung weder ihm noch seinem Pferd Freude bereiten. Rom – oder Mailand? Für viele Reiter ist Rom die Versammlung: Tragkraft, Hankenbeugung, relative Aufrichtung. Um dieses Ziel zu erreichen, werden verschiedene Wege gewählt: der eine schwört auf langjährige „Umbildung“ von Schub- zu Tragkraft, der zweite empfiehlt von Anfang an Seitengänge im Schritt, der dritte versammelnde Handarbeit und der vierte findet ein Einstellen der Pferdenase hinter der Senkrechten oder die Verwendung verschiedener Hilfsmittel einen gangbaren Weg nach Rom – getreu dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel.“ Aber: Tut er das? Meiner Ansicht nach nicht. Was nützt mir der Wunsch, in Rom anzukommen, wenn ich den Weg dorthin so schwierig gestalte, dass ich Kopf und Kragen riskiere oder Gefahr laufe irgendwo auf einer Autobahn südlich von Stuttgart in einen jahre- und jahrzehntelangen Stau geraten? Oder in Mailand zu landen, das zwar schick ist und auch in Italien liegt, aber mit dem klassischen Rom nicht zu vergleichen ist… Diesen Fall hätten wir zum Beispiel, wenn das Pferd in einer auf den ersten Blick netten Silhouette geritten wird, die aber seinem Ausbildungsstand nicht entspricht. Oder wenn es zwar schon piaffiert, aber keinen sauberen Trab geradeaus laufen kann… Natürlich darf, ja sollte, man ein Ziel haben. Das muss überhaupt nicht ehrgeizig sein: Auf einem losgelassenen Pferd alle drei Grundgangarten zu reiten ist ein völlig legitimes Ziel. Bereits der Weg dorthin sollte (zumindest überwiegend) Pferd und Reiter Freude bereiten und natürlich pferdeschonend sein. Das bedeutet nicht, dass jede Reitstunde ohne Anstrengung und immer innerhalb der Komfortzone abläuft – aber niemand sollte sich oder sein Pferd bei seiner ganz persönlichen Alpenpassage derart stressen, dass die Freude am gemeinsamen Weiterkommen auf der Strecke bleibt. (Claudia) |
AutorinnenClaudia Weingand & Katharina Möller reden über Pferdetherapie und - Training, Osteopathie & Klassische Ausbildung |
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