5/9/2020 1 Comment „Das Pferd schrie vor Schmerz“Die Therapeutin steigt aus dem Auto. 20 Minuten später steigt sie wieder ein – mehrere hundert Euro reicher. Sie hat mit einem Blick, ohne Ganganalyse oder umfassende Befundung das Problem des Pferdes erkannt. Nach einem schnellen chiropraktischen Griff spritzt sie Schmerzmittel und Entzündungshemmer und lässt ebensolches noch für weitere vierzehn Tage zur oralen Gabe da. Das Schauspiel wiederholt sich so oder in ähnlicher Form an verschiedenen uns bekannten Pferden. Bei einem sei eine „innerliche Narbe“ entzündet und das Pferd müsse eingerenkt werden. Bei der angewendeten massiven Manipulationstechnik „schrie das Pferd vor Schmerz“, berichtet eine unfreiwillige Augenzeugin, die uns gut bekannt ist und uns die Geschichte erzählt hat. Man sagt, Pferde haben keinen Schmerzlaut. Wer es schafft, ein Pferd doch dazu zu bringen einen schreiähnlichen Laut auszustoßen, sollte aus unserer Sicht keins mehr anfassen dürfen. Die Besitzer waren dennoch zufrieden, immerhin lief das Pferd in den folgenden Wochen sichtlich besser. Man erinnere sich an das Schmerzmittel, welches dem Pferd im Zuge der Behandlung verabreicht wurde. Praktischerweise überdeckt das ja nicht nur alle möglichen Grundprobleme, sondern auch noch mögliche Schäden und Schmerzen durch die Behandlung selbst. Ein Glück, dass die Therapeutin Tierärztin ist und diese Medikamente verabreichen kann. Eine weitere Geschichte mit derselben Therapeutin in der Hauptrolle erzählte eine andere Reiterin. Die Therapeutin habe ihr Pferd sediert, um es einzurenken. Es habe einen entzündeten M. biceps brachii. Interessanterweise ist dieser am Pferd ist aber eigentlich gar nicht palpierbar, zumindest nicht direkt, man fühlt lediglich den Lacertus fibrosus zum M. extensor carpi radialis. Aber auch hier läuft das Pferd am Tag nach der Misshandlung (Behandlung vermögen wir das nicht zu nennen) besser. Auf Nachfrage fällt der Besitzerin ein: „Ach ja, Entzündungshemmer hat sie gespritzt und auch noch was dagelassen….“. Zwar erkennt die Besitzerin nach unserer Erklärung diesen Zusammenhang, hält dennoch an dieser Therapie fest. Mal eben was einrenken und spritzen lassen ist deutlich praktikabler, als zu lernen, wie sie ihr Pferd langfristig besser zu trainiert und es abzuspecken, was dem Pferd zuliebe dringend notwendig wäre. Liebe Reiter. Wenn ihr davon überzeugt seid, dass ein Pferd schmerzfrei trainiert werden sollte – warum lasst ihr es unter starken Schmerzen oder unter Sedation (weil die Therapeutin mit berechtigter Gegenwehr rechnet) behandeln? Klar kann es mal etwas unangenehm sein, wenn man verspannte Muskeln oder Faszienrestriktionen behandelt. Eine Therapie sollte und dürfte aber nie wirklich schmerzhaft sein. Schmerzen bedeuten Stress und ein höherer Sympathikotonus bedeutet immer weitere Verspannungen. Über die Schmerzgrenze zu gehen ist nie sinnvoll - Schmerzen warnen und schützen so den Körper vor weiteren Schäden. Die Gabe von Schmerzmedikamenten und Entzündungshemmern hat bei akuten Verletzungen oder bestimmten Erkrankungen mit Sicherheit ihre Berechtigung, aber doch bitte nicht, um dann unter Medikation einfach weiter reiten zu können (was sich übrigens Doping nennt…). Jedes Pferd mit einem Problem verdient eine ausführliche Befundung und gegebenenfalls eine seriöse Diagnostik, respektvolle Behandlung und im Anschluss entsprechend Zeit zur Heilung sowie einen Rehaplan. Und in diesem Zuge führt kein Weg daran vorbei, dass der Besitzer mit ins Boot geholt wird, die Ursache und Folgen des Problems erklärt bekommt – sofern dieser tatsächlich an einer langfristigen Verbesserung interessiert ist. Wem die Gesundheit seines Pferdes allerdings kein Training und keine Optimierung des Managements wert ist oder Ursachen und Wirkungen gar nicht verstehen WILL, der beruhigt sein Gewissen vielleicht deswegen lieber mit der Zahlung horrender Summen für spektakuläres „Ritsch-Ratsch“ und reitet danach sein gedoptes Pferd, dass doch nun so viel besser läuft.
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